„Essen muss billig bleiben!?“

Essen muss billig bleiben! So erklären es mir Landwirt*innen immer wieder: „Frau Nick, wir sind Unternehmer, leben in Deutschland, einem Exportland. Ihre Ideen einer gesunden Natur und Qualitätsessen sind toll, aber wir müssen wirtschaftlich denken.“ Das ist doch paradox: Wirtschaftlich denken und für billige Preise der eigenen Produkte kämpfen – für ausbeuterische Arbeit, Selbstausbeutung und die Ausbeutung von Tieren und Natur. Wenn Verbraucher*innen auf günstige Preise bestehen, ist das nachvollziehbar. Aber die Landwirt*innen? Wertschätzung auf der einen Seite fordern und auf der anderen Seite die Ramschpreise hochhalten, das ist ein Widerspruch in sich. 

Natürlich dürfen und sollen Bäuerinnen und Bauern einen fairen Preis für die Produkte verlangen können. Und das Recht auf gesunde, gute Nahrung muss dann auch entschieden in der Sozialpolitik diskutiert werden. Aber angesichts der ausbeuterischen Arbeitsbedingungen wie in Schlachtbetrieben mit dem Hartz IV Satz zu argumentieren, ist eine Perversion sozialer Gerechtigkeit. Keine andere Branche wird mit diesem Argument so dazu gedrängt, unter ihren Preisen zu bleiben. Dabei entstehen durch die billigen Lebensmittel selbst wieder Probleme und Kosten: ernährungsbedingte Krankheiten, Klimawandel, Artensterben, die Liste könnte sehr lang werden. Nichts ist umsonst und der Preis für billige Lebensmittel ist viel zu hoch, als dass wir uns das als Gesellschaft, als Menschheit leisten können.

Wie die Agrarwende und die Ernährungswende gelingen können, die nur mit Wertschätzung für unsere Lebensmittel einhergehen, wird schon lange in Fachkreisen diskutiert. Grundlage dafür könnte sein, die wirklichen Kosten unserer Lebensmittelproduktion aufzuzeigen, wie in einem Gutachten von Boston Consulting. 

Nur: Es gibt starke Interessen für die gegenwärtig vorherrschende Art der Landwirtschaft. Der weltweite Handel mit billigen Lebensmitteln lohnt sich für einige wenige, aber große Player: allen voran die Agrarindustrie mit Saatgutkonzernen, Einzelhandelsketten und Lebensmittelkonzernen. Und diese nutzen ihre Macht sehr gezielt in Regierungsbeschlüssen, Handelsverträgen, Lobbyarbeit usw.. Wertschätzung für das Lebensmittel und ein faires Einkommen von Bäuerinnen und Bauern steht nicht auf der Liste. Das will ich ändern, auch mit staatlicher Hilfe. Gelder sind da – durch die EU und mit Kennzeichnung und Transparenz auch über den Markt. Über den Tierwohlcent könnten große Summen für mehr Tierwohl bereitgestellt werden, die jede*n einzelne*n nur 2-3€ mehr im Monat kosten würden. Und die Kosten im Gesundheitssystem könnten niedrig gehalten werden, wenn die ernährungsbedingten Erkrankungen nicht bei ihren Symptomen, sondern bei ihrer Ursache bekämpft würden: durch Projekte zu gesunder Ernährung und Ernährungsbildung. Eigentlich einfach – dann mal los!

Wer aber zu ungeduldig ist, auf die Lösungen aus der Politik zu warten, kann heute schon schauen, was die Biokiste im Umkreis liefert. 

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