Newsletter 2024/02
Liebe Leserinnen und Leser,
bis zur Sommerpause im politischen Berlin wurde gearbeitet, gerungen und verhandelt. Egal ob Agrarpaket, Düngegesetz oder Haushaltsverhandlungen – mehr geht immer, aber ich bin froh, dass wir Kompromisse aushandeln konnten.
In der sitzungsfreien Zeit ist jedoch nicht weniger los. Gerne will ich meine Erlebnisse und Gedanken zu meiner zweieinhalbwöchige Sommertour berichten, in der ich die Menschen „hinter dem Essen“ besucht und mich mit vielen Akteuren vom Acker bis zum Teller ausgetauscht habe. Es war mir ein Anliegen die wertvolle Arbeit dieser Menschen sichtbar zu machen, mich mit ihnen über ihre Sorgen, aber auch ihre Ideen für die Zukunft zu unterhalten. Ich freue mich, Euch in diesem Newsletter von den vielen spannenden Eindrücken zu berichten.
Die Sommertour wäre aber nicht möglich gewesen, ohne die vielen Menschen, die mich auf ihre Höfe und in ihre Betriebe, in die Kitas und Kantinen, in ihre Küchen und Forschungseinrichtungen sowie in ihre Wahlkreise eingeladen haben. Allen Beteiligten möchte ich deshalb ein großes DANKESCHÖN sagen für ihre Zeit, für den konstruktiven und offenen Austausch, und für die vielen Eindrücke und die Anregungen, die ich aus den intensiven zwei Wochen wieder mit nach Berlin nehmen durfte.
Viel Spaß bei der Lektüre wünscht
Ophelia Nick
Rückblick: Ein heißer Sommer in [dem politischen] Berlin
In den letzten Sitzungswochen wurde viel verhandelt und gerungen. Das war bekanntermaßen nicht einfach und an vielen Stellen hätte ich mir mehr gewünscht. Demokratie heißt auch, Kompromisse zu machen. Trotzdem freue ich mich, dass das Budget des BMEL für die vielen Aufgaben in der Landwirtschaft dann nahezu konstant bleibt.
Froh bin ich auch, dass wir uns in den Ampelfraktionen auf ein Agrarpaket einigen konnten. Mit der Tarifglättung schaffen wir mehr finanzielle Planungssicherheit. Mit den Anpassungen des Agrar-Organisationen-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLKG) stärken wir die Verhandlungsposition von Landwirtinnen und Landwirten in der Lebensmittelkette. Besonders hervorzugeben ist, dass wir mit zahlreichen Maßnahmen spürbare bürokratische Entlastungen schaffen. Im Agrarpaket sind außerdem zwei neue Ökoregelung – eine für Weidehaltung von Milchbetriebe und eine für Biodiversität – einführen. Nach der Sommerpause packen wir dann die Ausweitung der Tierhaltungskennzeichnung auf die Außer-Haus-Verpflegung an, damit sich Verbraucherinnen und Verbraucher zukünftig auch in Kantinen, Mensen und Restaurants bewusst für mehr Tierwohl entscheiden können.
Informationen zum Agrarpaket findet ihr hier. Die Liste an Maßnahmen zum Bürokratieabbau, die wir bereits auf den Weg gebracht haben, haben wir hier zusammengetragen.
Enttäuschend ist, dass der Entwurf für ein neues Düngegesetz im Bundesrat kurz vor der Sommerpause abgelehnt wurde. Mit ihrer Blockade im Bundesrat haben die Länder gegen mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit für die Landwirtinnen und Landwirte gestimmt, sich gegen Bürokratieentlastung bei der Dokumentierung und gegen das Verursacherprinzip gestellt. Meine Rede zum Düngegesetz zum Düngegesetz und weitere Infos gibt es hier.
Der BMEL-Entwurf zum neuen Waldgesetz befindet sich nun in der Ressortabstimmung. Mit unserem Entwurf schützen wir einen der wichtigsten Klimaretter unseres Landes. Schließlich freue ich mich auf die Novellierung des Tierschutzgesetzes, das sich bereits im parlamentarischen Verfahren befindet.
Die Ergebnisse der Europawahl, die Resultate der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen waren nicht zufriedenstellend für unsere GRÜNE Politik und Themen. Die Probleme des fortschreitenden Klimawandel und des Biodiversitätsverlust verlangen nach Antworten. Eine bäuerliche, tiergerechte Landwirtschaft, muss hier in Deutschland ihren Platz haben. Die Wahlergebnisse haben jedoch gezeigt: wir müssen besser werden. Besser im Zuhören und besser darin, die Menschen mitzunehmen.
MEINE SOMMERTOUR:
„Das Rückgrat unserer Nahrung“
Zu Besuch bei den Menschen hinter unserem Essen
Zuhören, wertschätzen und konstruktiv diskutieren – das waren die Anliegen, die ich mit meiner Sommertour verfolgt habe. Ziel der Tour war es, die vielfältigen Menschen hinter unserem Essen sichtbar zu machen, ihre täglichen Herausforderungen anzuerkennen und mehr über ihr Engagement, ihre Kreativität und ihre Leidenschaft für die Herstellung unserer Nahrungsmittel, den Umwelt- und Naturschutz zu erfahren. Zwei Wochen lang habe ich Landwirt*innen, Saatguthersteller, Lebensmittelhersteller, Küchenchefs, sowie Forschungseinrichtungen und Projekte zur Ernährungsbildung in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg besucht. Die Vielfalt unserer Land- und Ernährungswirtschaft spiegelt sich auch in einigen Highlights der Tour wider, die ich Euch hier vorstelle. Eine Dokumentation der gesamten Tour mit allen Stationen findet ihr auf meinem Instagram-Kanal.
Schon am ersten Tag der Tour durfte ich einen Traktor mit Pferdemist betanken. Richtig gelesen! Die Pferde werden heute nicht mehr vor den Pflug gespannt, sondern ihr Mist macht den Tank für mehrere 100 PS starke Traktoren, Busse oder LKW voll. Die Biomethananlage von Daniel Königs in Neuss ist etwas Besonderes: sie wird ausschließlich mit Pferdemist aus der unmittelbaren Umgebung betrieben und arbeitet im Kreislauf. Die organischen Reste nutzen die Betriebe in der Region wieder als Dünger für ihre Felder. Das ist echte Kreislaufwirtschaft und ein toller Beitrag zur Verkehrswende und zum Klimaschutz!
Ein Schwerpunkt meiner Tour lag auf der Milchwirtschaft. Denn es sind Tiere und Betriebe, die hinter der Vielfalt unsere Milchprodukte stehen, die wir täglich konsumieren. Zu viele Milchbetriebe stehen wirtschaftlich unter Druck, immer mehr Effizienz auf Kosten der Tiere finde ich unerträglich. Doch viele Betriebe und Molkereien stemmen sich dagegen: So etwa die Bio-Molkerei Söbbeke, die in Gronau durch Qualität, Umweltschutz und Tierwohl überzeugt.
Auf dem Biohof Scherhorn in Berge konnte ich Weidehaltung und muttergebundene Kälberaufzucht erleben und diskutierte über die Möglichkeiten und Herausforderungen hinsichtlich neuer Vermarktungskonzepte für bessere Erzeugerpreise. Die tiefe Überzeugung und Wirkung von Johanna und Björn Scherhorns Arbeit hat mich beeindruckt. Landwirtschaft funktioniert nur im Einklang mit der Natur!
Nachhaltig beeindruckt hat mich in Münster-Roxel auch Junglandwirt Jan Schedding, der neue Wege geht, um das Tierwohl ins Zentrum seines konventionellen Betriebs zu stellen. Er baute nicht nur einen wunderbaren Frischluftstall, sondern setzt auch auf die robuste Rinderrasse „Angler“ aus Norddeutschland. Mit dem Konzept der saisonalen Abkalbung stellt er außerdem sicher, dass Kühe und Jungtiere über das Jahr besonders viel und lange auf der Weide stehen können.
Mit den Mutterkuhhaltern NRW e.V. besuchte ich den Hof Klement in Attendorn-Bürberg. Im hügeligen Sauerland mit seinem vielen Grünland ist Mutterkuhhaltung ein großartiges Konzept, das zudem Biodiversität fördert und erhält. Das Besondere am Hof Klement: Der hofeigene Schlachthof. Hier wurde deutlich, wie hoch die Auflagen sind, die regionale Schlachtung erschweren. Gerade den kleinen Nebenerwerbsbetrieben, die so viel für Artenschutz tun, muss ein guter Rahmen für ihre Arbeit gewährleistet werden. Dafür will ich mich weiterhin einsetzen.
Trotz der Vielfalt der Betriebsformen und der Leidenschaft für ihre Arbeit, eines war den Milchviehhaltern gemein: Egal ob niedrige Erzeugerpreise, Anforderungen an das Tierwohl oder bürokratische Hürden – die Situation der Milchviehhalter ist angespannt, viele Landwirtinnen und Landwirte stehen vor großen Herausforderungen. Ich nehme diese Sorgen sehr ernst und kann ihren Ärger über so manche praxisuntaugliche Bürokratie gut nachvollziehen.
Mit dem Agrarpaket haben wir einen ersten großen Schritt zur Entlastung der Bäuerinnen und Bauern getan und weitere bürokratische Entlastungen werden folgen. Doch die Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte müssen auch an der Ladentheke anerkannt werden, damit ein angemessenes Einkommen und eine Landwirtschaft von morgen möglich sind. Deshalb setze ich mich auch entschieden für die Ausweitung der Tierhaltungskennzeichnung auf Rindfleisch noch in dieser Legislatur ein.
Deutlich wurde bei all den Betriebsbesuchen auch, dass diejenigen, die sich proaktiv Gedanken über eine Neuausrichtung oder Anpassung an aktuelle Gegebenheiten machen, zufriedener waren. Denn für viele Betriebe gibt es einen Weg in die Zukunft, wenn es auch ein anderer als der jetzige, sein mag.
Eine wichtige Voraussetzung für mehr Wertschätzung von Lebensmitteln ist, dass kleine und große Verbraucherinnen und Verbraucher den Weg vom Rohstoff zum fertigen Lebensmittel kennenlernen können. Ein tolles Projekt der frühkindlichen Ernährungsbildung, habe ich bei den „Acker-Rackern“ der KiTa Hasenhaus des Caritasverbands in Mettmann gesehen. Zusammen mit dem Ackerracker e.V. bauen die Kinder im Hasenhaus ihr eigenes Gemüse im KiTa-Garten an. Beim Ackern lernen sie spielerisch, woher ihr Essen kommt und welche Arbeit hinter seiner Erzeugung steckt. So werden sie nicht nur zu kleinen Ernährungsexperten. Mit viel Engagement bei der Sache werden gesunde Essgewohnheiten und viel Wertschätzung für die Lebensmittel geprägt. Wie viel Freude dabei aufkommt, beweist dieses Video.
Theoretisches Wissen über gesunde Ernährung reicht aber nicht aus. Wichtig ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher gesunde, lokale Produkte auch in ihre alltäglichen Ernährung einbinden können, etwa durch ein entsprechendes Angebot im Handel oder der Gemeinschaftsverpflegung. Deshalb war ich begeistert zu sehen, mit wie viel Engagement sich Pioniere der Landwirtschaft und des Lebensmittelhandwerks im ganzen Land für den Zugang zu guten Lebensmitteln und regionale Wertschöpfungsketten einsetzen.
Den Enthusiasmus konnte ich nicht nur beim Besuch in der Hafenkäserei in Münster deutlich spüren und schmecken! Neben der Schaukäserei entwickelt sich gerade ein echtes Zentrum zum für innovative und handwerkliche Herstellung von Bio-Lebensmitteln aus der Region für die Region, dass Verbraucher*innen den Weg vom Rohstoff zum Produkt näherbringt und Wertschätzung für regionale Lebensmittel im Herzen der Stadt schafft.
In der Kantine des Neuen Rathauses in Leipzig hat sich Küchenchef Frank Miklos auf den Weg gemacht, seinen Gästen jede Woche ein vegetarisches Aktionsgericht aus regionalem Gemüse der Kooperativen Landwirtschaft „KoLa“ anzubieten.
Und im Kesselkollektiv im Leipziger Westen arbeiten zehn Start-Ups unter einem Dach und stellen handwerkliche Bio-Lebensmittel mit Zutaten aus der Region her. Darunter fermentiertes Gemüse, Bio-Eiscreme, Tempeh aus Lupinen und Soja, oder vollwertige Bio-Gerichte für Kindertagesstätten. Durch gemeinsam genutzte Räume, Maschinen und Lagerflächen werden Kosten gespart. Ein gemeinsamer Onlineshop hilft bei der Vermarktung der Produkte.
Zum Ernährungssystem gehören auch Unternehmen der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten, die meine Tour abrundeten.
Zu Abschluss meiner Tour besuchte ich noch den Obsthof Nachtwey, der nicht nur sehr leckere Früchte, sondern mit seiner Agri-PV-Anlage zeitgleich Energie erzeugt. So sehen die Lösungen aus, für die die GRÜNE Partei steht. Erst 2020 beim Bundesparteitag der GRÜNEN als Antrag der Bundesarbeitsgemeinschaften vorgestellt stand ich nun unter einer aufgeständerten Solaranlage und aß die Äpfel, die darunter wachsen. Das ist grüne Politik – innovativ, wirtschaftlich und nachhaltig.
Fazit: Beeindruckt, demütig und mit vielen Anregungen
Die zwei Wochen meiner Tour haben mich wirklich beeindruckt und mir wieder einmal vor Augen geführt: Unsere Land- und Ernährungswirtschaft ist vielfältig, innovativ und kreativ. Egal ob bio- oder konventionell, Start-Up oder großer Betrieb: Die Menschen in der Landwirtschaft und dem Lebensmittelhandwerk können und wollen zur Gesellschaft beitragen und wissen, dass qualitativ hochwertige Lebensmittel, gesunde Ernährung und der Schutz unserer Lebensgrundlagen nur sichergestellt werden können, wenn sie als Erzeuger und Verarbeiter nachhaltig, umweltfreundlich und tiergerecht wirtschaften. Doch damit das funktioniert, müssen wir alle zusammenarbeiten: die Politik muss die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, damit gutes wirtschaften möglich ist. Eine entsprechende Wertschätzung der Lebensmittel in unserer Gesellschaft ist Voraussetzung für gerechte Einkommen und eine zukunftsfähige Landwirtschaft.
Allen Beteiligten sage ich: DANKE für diese schöne Tour!
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